Leistungssport ist ein knallhartes Geschäft: Hoher psychischer Druck und regelmäßige körperliche Überlastung gehören genauso wie strenge Ernährungspläne oder fehlende Freizeit zur Alltagsrealität von Topsportler*innen. Wer in einem Bundeskader nicht die erhoffte Leistung bringt, wird schnell aussortiert. „Der Nächste, bitte.“
In Deutschland bedeutet eine professionelle Leistungssportkarriere für viele olympische und paralympische Athlet*innen auch nur in den seltensten Fällen ein gesichertes Einkommen oder größere Berühmtheit. Deshalb geben viele hoffnungsvolle Talente ihren Traum schon weit vor ihrem sportlichen Zenit auf. Andere Sportler*innen sind durch Verletzungen oder neue Lebensumstände gezwungen, sich umzuorientieren. Auch einige Athlet*innen des GOLDENEN RING kehrten trotz großen sportlichen Potenzials dem Leistungssport den Rücken. Im zweiten Teil unserer Serie „Was macht eigentlich…?“ sprechen wir mit unseren ehemaligen Stipendiaten, wovon sie heute leben und was sie mit ein paar Jahren Abstand über ihre Zeit als Leistungssportler*innen denken.
Johnny Zipf galt im Nachwuchsbereich als großes deutsches Versprechen, nachdem er im September 2005 Junioren-Vize-Weltmeister im Triathlon wurde. Als Sportfördersoldat gehörte er fast 10 Jahre lange zur nationalen Triathlon-Spitze und sammelte Titel am laufenden Band: In der Einzelwertung wurde er Gesamtsieger der Triathlon Bundesliga 2017, Deutscher Meister im Duathlon 2017 oder Deutscher Meister auf der olympischen Triathlon-Distanz 2013. Im Team Relay (300 m Schwimmen, 6 km Radfahren, 1,6 k Laufen) holt er bei der WM 2013 Bronze und wurde 2016 Europameister. Erst im Herbst seiner Karriere wechselte Johnny Zipf an den Triathlon Bundesstützpunkt in Nürnberg und erhielt ab 2019 eine Förderung durch den GOLDENEN RING. 2020 beendete er seine erfolgreiche Karriere, dem Triathlon-Sport blieb er aber erhalten. Wir baten den sympathischen Blondschopf zu einem Interview.
Der GOLDENE RING (DGR): Hallo, Johnny! Direkt zur Sache: Wie geht es dir und wie sieht dein Leben heute aus?
Johnny Zipf (Johnny): Mir geht’s gut. Ich wohne heute in Allersberg und arbeite als Landestrainer am Triathlon Bundesstützpunkt in Nürnberg-Langwasser.
DGR: Hast du dir schon immer vorstellen können als Trainer zu arbeiten?
Johnny: Das war eher Zufall. Aber ich hatte früher schon mit dem Gedanken gespielt Trainer zu werden. Ich konnte mir aber auch vorstellen, etwas ganz Anderes zu machen. Mir war es immer wichtig, dass ich trotz Beruf zeitlich flexibel sein kann. Das ist als Trainer sehr gut möglich. Hier habe ich eine gute Balance zwischen freien und festen Zeiten.
DGR: Du kennst jetzt beide Perspektiven. Dann verrate uns mal: Was ist besser – Sportler oder Trainer?
Johnny: Es macht beides Spaß. Aber Sportler zu sein, ist schon besonders und vielleicht auch etwas einfacher. Als Sportler kann man sich mehr auf sich selbst konzentrieren und darf egoistischer sein. Ein Erfolg kann dich richtig euphorisch machen und für einige Zeit beflügeln. Als Trainer muss ich alle Athletinnen und Athleten im Blick haben. Das macht den Unterschied.
DGR: Du hast eben gemeint, dass der Trainerjob dir einen guten Ausgleich zwischen Freizeit und Arbeitszeit gibt. Wie nutzt du deine Freizeit denn?
Johnny: Ich mache viel Sport und hobbymäßig Finanzgeschäfte. Da bleibt dann nicht mehr viel Zeit für andere Sachen übrig.
DGR: Wer sein Leben lang Sport gemacht hat, wird so schnell nicht damit aufhören. Wie sieht dein heutiges Training aus?
Johnny: Das stimmt [lacht]. Heute mache ich so zehn bis 16 Stunden Sport pro Woche. Hauptsächlich Kraftsport und Radfahren. Und ich gehe zweimal in der Woche Laufen.
DGR: Wenn du auf deine titelreiche Karriere zurückblickst: Was war dein schönstes Erlebnis im Triathlon?
Johnny: [Denkpause] Das war der Vize-Weltmeistertitel im Juniorenbereich in Japan 2005. Das war einer der Wettkämpfe, bei denen ich erst so richtig gemerkt habe, wie sehr ich über mich hinauswachsen konnte. Ich war kurz vor dem Ziel fast komatös und konnte nicht mehr stehen. Hinter der Ziellinie brauchte ich sogar eine Infusion.
DGR: Nachher ist man ja immer schlauer. Deshalb: Würdest du heute den gleichen Weg gehen, den du damals gegangen bist oder würdest du etwas anders machen?
Johnny: Ich würde es genauso machen. Ich empfehle jedem, der es kann, Sport als Profi zu machen. Man erlebt viele Dinge, die nicht jeder erleben darf. Man entwickelt enorme Eigeninitiative und sieht sehr viele Länder. Na gut, ein paar sportartspezifische Kleinigkeiten würde ich vielleicht doch anders machen [lacht]. Denn sportlich habe ich nicht alles erreicht, was ich mir vorgenommen hatte.
DGR: Du hast 2020 kurzfristig deinen Rücktritt bekannt gegeben. Was hat dich dazu bewegt?
Johnny: Es gab keinen konkreten Grund. Ich habe einfach gemerkt, dass ich nicht mehr erreichen kann. Ich war nie bei Olympia. Es war zweimal denkbar knapp, obwohl ich das Gefühl hatte, mein Leistungsvermögen hätte es damals hergegeben. Ich war für Tokio 2020 sehr motiviert, aber es kamen viele Dinge zusammen. Ich war nicht mehr Mitglied im Nationalkader. Ich habe dann vor der Abfahrt zu einem Weltcup einen lockeren Lauf gemacht und es wurde mir plötzlich ganz klar, dass ich da nicht hinwollte. Dann bin ich auch nicht hingefahren. Man bekommt dann eine vierwöchige Sperre und hat dann natürlich keine Chance mehr auf die Olympiaqualifikation. Ich habe dann noch zwei weniger wichtige Rennen gemacht und dann aufgehört. Zeitgleich habe ich das Angebot vom Bundesstützpunkt bekommen als Trainer anzufangen und habe die Chance genutzt. Dadurch hatte ich wieder eine Absicherung. Zeitgleich hat sich die Möglichkeit ergeben, als Trainer am Bundesstützpunkt in Nürnberg zu arbeiten.
DGR: Hast du heute noch Kontakt zu alten Weggefährten aus dem Leistungssport?
Johnny: Ja, ich kenne noch einige am Stützpunkt, trainiere sie aber nicht. Auch zu einigen Triathleten aus Saarbrücken, wo ich vorher war, habe ich noch Kontakt. In der Triathlon-Bundesliga betreue ich das Ejot Team Buschhütten mit und begegne deshalb oft Athleten, die heute noch aktiv sind. Auch international gibt es natürlich den ein oder anderen Star gegen den ich schon Rennen absolviert und noch Kontakt habe. Aber es werden immer weniger, weil immer mehr Junge nachkommen.
DGR: Als Trainer bleibst du der Triathlon-Szene erhalten. Welchen Tipp kannst du jungen Sportlerinnen und Sportlern mit gleichen Ambitionen geben?
Johnny: Mein Tipp ist: Das Training sollte so oft wie möglich Spaß machen. Klar, wird es mal ernster und man muss mal was auf Krampf durchziehen. Aber der Spaß sollte im Vordergrund stehen und der Sport einfach Bock machen. Man kann sich seine eigenen Ziele ruhig auch sehr hoch setzen. Viele trauen sich zu wenig zu, obwohl so vieles möglich ist und stapeln dann lieber tief.
DGR: Apropos Ziele. Was sind denn deine nächsten Ziele im Leben?
Johnny: Ich würde gerne meine Finanzgeschäfte weiterverfolgen, aber auch Leute im Sport unterstützen und Trainer sein – am besten ohne davon finanziell komplett abhängig zu sein. Das ist auch wieder das mit dem frei sein, was ich vorhin gemeint habe. Dann möchte ich eine Familie gründen und finanziell unabhängig sein – und endlich aus meiner Mietwohnung raus [lacht].
DGR: Danke, dass du dir die Zeit genommen hast.